Pressemitteilung vom 09.07.2024

CO2-Endlager: Bundesrat für Enteignung beim Pipelinebau, obwohl Risiken noch ungeklärt sind – Initiative fordert Aufklärung

Auf ihrer Sitzung am 9. Juli 2024 hat sich der Umweltverein „Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.“ mit der aktuellen Stellungnahme des Bundesrates befasst. Die Länderkammer hatte sich bereits am letzten Freitag mit dem umstrittenen Entwurf eines Kohledioxidspeichergesetzes auseinandergesetzt.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt verkündete am Samstag in der SHZ, dass die Einlagerung von CO2 keine lebensverlängernde Maßnahme für fossile Technologien sein dürfe. Der Einsatz von CCS müsse auf langfristig schwer- und unvermeidbare Emissionen, etwa von der Zementindustrie oder von Müllverbrennungsanlagen, begrenzt bleiben.

„Die Ansichten des Ministers finden sich nicht im Beschluss des Bundesrates wieder“, moniert der Vorsitzende Dr. Reinhard Knof. „Wir brauchen mehr Ehrlichkeit in der Debatte“, mahnt Knof.

Auch die Schweiz, Frankreich und Österreich wollen ihr Klimagas CO2 in der Nordsee verpressen, und Dänemark bietet sich an. „Wir wissen nicht, welche Länder sich noch an der Verklappung vor unserer Haustür beteiligen wollen. Vollkommen unklar ist, wie die deutsche Regierung es kontrollieren will, dass beispielsweise Polen und Tschechien ihr Klimagas aus den schmutzigen Kohlekraftwerken nicht durch das deutsche Pipelinenetz an die Küste transportieren können“, sagt Knof.

Mit „Erschrecken“ hat der Umweltverein festgestellt, dass die Länderkammer sich nicht einmal gegen Enteignungen für den Pipelinebau ausspricht. Das Gegenteil ist der Fall. „Der Bundesrat regt eine Änderung in § 4 Absatz 5 KSpTG dahingehend an, dass die vorgesehene Enteignungsmöglichkeit nicht nur dann eingeräumt wird, wenn der Zweck auf andere zumutbare Weise, insbesondere an anderer Stelle, nicht erreicht werden kann“, heißt es in der Stellungnahme.

„Die Landesregierung muss die Menschen im Land aufklären, wann und wo für einen Pipelinebau enteignet werden soll“, fordert Knof. Erste Pläne für den Pipelinebau zeigen eine Linie quer durch Schleswig-Holstein von Hamburg bis Ellund im Norden, vorbei an Rendsburg und Schleswig. Die Anbindungsleitungen an große CO2-Quellen sind darin noch gar nicht enthalten.

HINTERGRUND:

Aus den Bundesratsunterlagen geht hervor, dass im Gegensatz zu Hochspannungsleitungen die möglichen Beeinträchtigungen bei Kohlendioxidleitungen aufgrund des erforderlichen Arbeitsstreifens vielfältiger sind: „Etwa Lärm- und Staubimmissionen, Gehölzverlust, temporäre Grundwasserabsenkung und Eingriffe in die Bodenstruktur“, werden in der Stellungnahme aufgezählt.

Der Einsatz von CCS in der angedachten Größenordnung, die für die Abscheidung von Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr erforderlich ist, würde ein riesiges Netz von Pipelines, Schiffen und Bahnlinien erfordern, um das CO2 zu den Lagerstätten zu transportieren, ähnlich der heutigen Öl- und Gastransportinfrastruktur. Es besteht die reale Gefahr, dass CO2 aus diesem Transport- und Speichernetz entweicht, was die Gesundheit und das Leben der Menschen gefährdet und die Klimaerhitzung vorantreibt.

Dabei sind die Sicherheitsrisiken noch nicht einmal im Ansatz geklärt. Als im Jahr 2020 eine CO2-Pipeline im US-Bundesstaat Mississippi platzte, wurden 300 Menschen evakuiert und 45 Personen mit Bewusstlosigkeit, Krämpfen oder Verwirrung infolge einer CO2-Vergiftung ins Krankenhaus gebracht. Selbst der IPCC warnt, dass ein „nicht zu vernachlässigendes Risiko des Austretens von Kohlendioxid aus der geologischen Speicherung und der Infrastruktur für den Kohlendioxidtransport“ besteht und räumt ein, dass Pipelinelecks „eine potenzielle physiologische Gefahr für Menschen und Tiere“ darstellen.

„Wir dürfen uns nicht von den Beteuerungen der fossilen Brennstoffindustrie täuschen lassen, dass die CCS-Infrastruktur sicher sei, während es bei der konventionellen Öl- und Gasinfrastruktur immer noch regelmäßig zu Lecks und Unfällen kommt“, so Knof. Erst letztes Jahr gab es in Stade ein Leck an der neu in Betrieb genommenen Erdgasleitung, durch das 60.000 m³ Erdgas ausgetreten sind. Im Gegensatz zu Erdgas lässt sich CO2 nicht abfackeln, sondern verbreitet sich in Bodennähe und führt dort zu Erstickungen.

Mehr Informationen

Unterlagen Bundesrat: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1046/to-node.html?cms_topNr=36#top-36

Dänemark buhlt um das CO₂ der Nachbarländer
https://www.srf.ch/wissen/klimawandel/unterirdische-co2-endlagerung-daenemark-buhlt-um-das-co2-der-nachbarlaender

Gasleck in Stade 2023

https://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/stade/c-panorama/leck-in-der-leitung-warum-in-buetzfleth-gas-abgefackelt-wurde_a309862