Pressemitteilung vom 09. März 2021
Wintershall-DEA hält weiter an Bohrungen im Nationalpark Wattenmeer fest
Der Bewilligungsantrag „NB1-0002-00“ (südliche Erweiterung der bestehenden Bewilligung „Heide-Mittelplate I“) von Winterhall-DEA dauert nach Auskunft des Bergamtes noch an. Außerdem liegt dem Bergamt noch ein Verlängerungsantrag für die bestehende Erlaubnis „Heide-Restfläche“ vor. Damit besteht weiterhin die reale Gefahr neuer Erdölbohrungen unter dem Weltnaturerbe Wattenmeer. Obwohl Wintershall-DEA es bis heute nicht geschafft hat, Erdöl und Erdgas ohne größere Störungen zu fördern und in der Vergangenheit Anträge auf Erkundungsbohrungen im Wattenmeer gestellt hat, die nicht genehmigungsfähig waren, plant die Firma weiterhin Bohrungen unter dem Weltnaturerbe Wattenmeer.
Minister Albrecht und das Bergamt sollten diese Anträge nicht nur ablehnen, sondern die bestehende Lizenz für die Mittelplate aufheben. Wintershall-DEA fehlt es an der im Bergrecht geforderten Zuverlässigkeit, da die Firma z.B. jahrelang Druckverluste in der Versenkbohrung in Emmlichheim ignorierte, so dass es zum Verlust von bis zu 220 Millionen Litern Lagerstättenwasser kam. In einem als „Fact-sheet“ (a) bezeichneten Papier versucht Wintershall -DEA, den angerichteten Schaden zu relativieren. Die von Wintershall-DEA aufgeführten Behauptungen, das Grundwasser sei in dem betroffenen Bereich ohnehin schon versalzt und daher könne das Lagerstättenwasser keinen Schaden anrichten, steht im Widerspruch zu den Daten auf dem NIBUIS-Kartenserver des Bergamtes (b). So wird nicht nur grob fahrlässig gehandelt, sondern anschließend auch noch versucht, das Ausmaß des Schadens zu vertuschen. Gemäß § 18 BBergG ist die bergrechtliche Lizenz für die Mittelplate wegen fehlender Zuverlässigkeit der Wintershall-DEA zu widerrufen. Die neuen Anträge sind mangels Genehmigungsfähigkeit abzulehnen.
Hintergrund:
Wintershall-DEA möchte im Wattenmeer wieder nach Öl bohren. Bereits vor einigen Jahren wurde ein Antrag auf drei Erkundungsbohrungen im Wattenmeer außerhalb der Mittelplate gestellt. Nachdem das „Rechtsgutachten zu Fragen der Aufsuchung von Erdöl im Nationalpark Wattenmeer“ vom 30.11.2016 (1) die offenkundige Rechtswidrigkeit dieses Vorhabens aufzeigte, entschlossen sich der damalige Umweltminister Habeck und das Bergamt, den Antrag abzulehnen, da Explorationsbohrungen im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer nicht genehmigungsfähig sind.(2) Zu dieser Entscheidung dürfte auch der öffentliche Druck, insbesondere durch Greenpeace und der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V. beigetragen haben.
Trotz der offensichtlichen Rechtswidrigkeit einer erneuten Bohrtätigkeit im Wattenmeer wurde die Lizenz für das Feld Heide-Restfläche bis 2020 verlängert, um doch noch eine Option für Wintershall-DEA offen zu halten.(3) Das Umweltministerium (MELUND) mit Minister Albrecht an der Spitze ist als oberste Bergbehörde verantwortlich für alle bergrechtlichen Genehmigungen, die das Bergamt (LBEG) als untergeordnete Behörde trifft.
Jetzt gibt es einen neuen Versuch, die Erdölförderung von der Mittelplate aus auszuweiten.(4) Auch wenn die Bohrung abgelenkt einen Zielhorizent von 2000 Metern Tiefe und mehr anstrebt, bleibt doch eine reale Gefahr für das Weltnaturerbe Wattenmeer bestehen. Gerade in der Nordsee ist es immer wieder zu Blowouts bei der Öl- und Gasförderung gekommen, so dass die Gefahr bei neuen Bohrungen real ist. 1964 kam es durch eine in 2925 Metern Tiefe angetroffene Gasblase zu einem Blowout vor Juist, bei einer Erkundungsbohrung durch ein Konsortium, an dem auch die DEA beteiligt war.(5) Eine Übersicht schwerster Blowouts u.a. in der Nordsee zeigt die katastrophalen Auswirkungen derartiger Unfälle.(6) Zwischen 1980 und 2014 gab es weltweit 292 Blowouts, davon alleine 84 in der britischen und norwegischen Nordsee,(7) einschließlich des Blowouts der Elgin Wellhead Platform im Jahr 2012.(8) Die Schäden sind teilweise noch immer nicht beseitigt.(9)
Auch die Mittelplate selber ist nicht sicher. Um die Standsicherheit der Bohr- und Förderinsel weiterhin zu gewährleisten, wurden im Oktober 2007 sofortige weitergehende Kolkschutzmaßnahmen um das gesamte Inselbauwerk herum ohne vorherige Genehmigung wegen akuter Gefährdung erforderlich. (10) Begründet wurde das mit § 57 Abs. 2 Bundesberggesetz (BBergG), da dies „infolge unvorhersehbarer Ereignisse zur Abwendung von Gefahren für bedeutende Sachgüter“ geschehen musste. Diese Vorschrift gilt ausschließlich für den Gefahrenfall, der damals also vorgelegen haben muss. Da inzwischen die Anzahl und Heftigkeit von Extremwetterereignissen stetig zunimmt, ist die Sicherheit der Mittelplate schon jetzt nicht gewährleistet. Bei einem lang anhaltenden starken Sturm könnte sich ein Priel bis in die Mittelplate hinein verlegen und die Insel destabilisieren.
Kann man wenigstens Vertrauen in eine sorgfältige Arbeit der Wintershall-DEA haben? Die Erfahrung zeigt, dass das nicht möglich ist. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Piratenfraktion listete die Landesregierung 2016 insgesamt 98 Schadensfälle durch die bisherige Erdölförderung in Schleswig-Holstein auf, fast alle verursacht durch die DEA.(11) (12) Auch in Niedersachsen machte die DEA regelmäßig negative Schlagzeilen, sei es durch die Verwendung ungeeigneter Materialien zum Transport von Lagerstättenwasser (13) oder Feuer (14). Der im Sommer 2019 bekannt gewordene „Verlust“ von bis zu 220 Millionen Litern hoch salzhaltigen Lagerstättenwassers in den Untergrund aufgrund verrosteter Verrohrung und fehlender Zementation, übersteigt selbst schlimmste Befürchtungen von Umweltschützern und Wasserbehörden.
Über einen Zeitraum von rund 4,5 Jahren versickerten in Emlichheim große Mengen des Abfalls der Erdölförderung von der Wintershall-DEA unbemerkt im Untergrund, obwohl es bereits 2015 erste Hinweise auf Undichtigkeiten gab. Das Bergamt hat sowieso nichts bemerkt, da keine Kontrollen stattfinden. Einen TÜV für die Bohrlöcher gibt es nicht. Vor diesem Hintergrund mutet es schon merkwürdig an, dass wenige Tage vor Bekanntwerden des Umfangs dieses großen Grundwasserschadens vom Bergamt eine neue Genehmigung für das Feld Emlichheim erteilt wurde.(15) Die Wintershall-DEA plante, mit neuen Bohrungen im November 2019 zu beginnen.(16) Die durchgerosteten Rohre soll Wintershall DEA ohne Materialprüfung entsorgt haben. (17) Die Zuverlässigkeit dieses Unternehmens ist offenkundig nicht gegeben.
Wenn 1964 aus 2925 Metern Tiefe ein Blowout resultieren konnte und es noch 2012 einen Blowout in der Nordsee gab, dann kann von Sicherheit bei der Ölförderung keine Rede sein. Zudem muss damit gerechnet werden, dass beim Bohren auf oberflächennahe Gasvorkommen gestoßen wird, die in kleinen Taschen in der Nordsee verbreitet sind. Ein Blowout bei einer weiteren Bohrung ist daher auch dann nicht unwahrscheinlich, wenn von der Mittelplate oder von Land aus gebohrt werden sollte. Die Folgen für das Weltnaturerbe Wattenmeer, für Fischer, Tourismus und die ansässige Bevölkerung wären verheerend. Daher ist auch dieser Antrag der Wintershall-DEA abzulehnen und die Lizenz Heide-Restfläche zu widerrufen. Spätestens eine für dieses Vorhaben notwendige internationale UVP würde die Unzulässigkeit weiterer Erdölexploration offenbaren. Der reduzierte Förderzins für die Mittelplate ist auf den im übrigen Schleswig-Holstein gültigen Satz von 40% anzuheben, um den Willen für die Energiewende für Schleswig-Holstein glaubhaft zu machen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Reinhard Knof
Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.
QUELLEN:
(a) https://wintershalldea.de/sites/default/files/media/user-69/files/190812_Factsheet_Emlichheim.pdf
(b) https://nibis.lbeg.de/cardomap3/
(2) https://sns.uba.de/chronik/de/concepts/_534ef121.html
(4) https://www.sueddeutsche.de/wissen/umwelt-kiel-heikles-thema-jamaika-und-das-oel-im-wattenmeer-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-191026-99-458252
(5) https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/46174066
(7) https://www.sintef.no/en/projects/sintef-offshore-blowout-database/
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Elgin_Wellhead_Platform
(9) https://de.wikipedia.org/wiki/Erdgasleck_in_der_Nordsee
(10) https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/2300/drucksache-17-2364.pdf
(11) http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/3700/drucksache-18-3782.pdf
(13) https://www.kreiszeitung.de/lokales/rotenburg/feuer-anlage-grossalarm-grapenmuehlen-2314964.html