Kapitulation vor der Erdgas-Lobby
Dazu ein Kommentar des Energie-Experten Jürgen Döschner:
Fracking zur Förderung von Erdgas und Erdöl aus tiefen Gesteinsschichten soll in Deutschland eine Zukunft haben. Zwar verbietet der Gesetzentwurf vieles, was bislang möglich ist, wie Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD argumentiert; gleichzeitig aber macht die Vorlage eine kommerzielle Förderung in großem Stil möglich.
Es gibt Momente, da kommt es in der Politik nicht nur auf Zahlen, Argumente und Mehrheiten an, sondern auf Mut und Entschlossenheit. Im Frühjahr 2011 war ein solcher Moment. Da hat Angela Merkel kurz nach der Katastrophe in Fukushima acht AKW sofort abschalten lassen, und den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft eingeleitet.
Dieser Mut, diese Entschlossenheit fehlen Barbara Hendricks, der SPD-Umweltministerin.
Fast konnte sie einem leid tun, wie sie, offensichtlich gegen ihre eigene Überzeugung, vor der Bundespressekonferenz versuchte, ein Gesetz zu verteidigen, das sie selbst – zumindest in Teilen – für falsch hält. Mehr als einmal hatte Hendricks in den letzten Wochen betont, dass sie Fracking für riskant, und das so geförderte Schiefergas für überflüssig hält. Und doch präsentiert sie nun ein Gesetzespaket, das die Tür zum Fracking in Deutschland öffnet.
Die vielen Paragraphen, die -zig Seiten langen Gesetzesnovellen und Begründungen, die komplizierten Ausnahmeregelungen und Ausnahmen von den Ausnahmen – das alles hätte Barbara Hendricks sich und uns ersparen können, indem sie das derzeit geltende Moratorium durch ein klares und schlichtes gesetzliches Fracking-Verbot fortgeschrieben hätte.
Der Verweis auf die angebliche Unvereinbarkeit eines solchen Verbots mit der Verfassung, der Verweis auf Gewerbefreiheit und Freiheit der Forschung und Wissenschaft ist – mit Verlaub, Frau Ministerin – schlicht Unfug. Wenn dem so wäre, hätten mit denselben Argumenten Atommoratorium und der Ausstiegsbeschluss seinerzeit auch keinen Bestand gehabt.
Nein, diese Argumentation, dieser Gesetzentwurf ist die Kapitulation der Politik vor den Interessen einzelner, mächtiger Gruppen – in diesem Fall der Öl- und Gasindustrie. Exxon, Wintershall und Co. reiben sich die Hände. Denn wenn dieses Gesetzespaket so verabschiedet wird, dann haben sie ihre wesentlichen Ziele erreicht: Sie haben ein generelles Fracking-Verbot in Deutschland verhindert. Sie haben unter dem Deckmantel von wissenschaftlichen Probebohrungen die Tür zum Fracking in Deutschland geöffnet. Und sie haben mit der mächtigen Expertenkommission die Politik auf lange Sicht aus der Fracking-Diskussion herausmanövriert.
Das Primat der Politik – so oft und so laut es beim Atomausstieg betont wurde – beim Fracking ist es offenbar den Interessen einer kleinen, aber mächtigen, Industrielobby geopfert worden.
Noch aber ist das Gesetzespaket der mutlosen Umweltministerin nur durchs Kabinett. Bundestag und Bundesrat haben durchaus noch die Möglichkeit, mutig und entschlossen – wie einst beim Ausstieg aus der Risikotechnologie Atomkraft – nun den Einstieg in die Risikotechnologie Fracking zu verhindern.
Quelle: www.wdr5.de